Marduc

Nach­dem die ers­ten Hengs­te unse­rer Sta­ti­on im nie­der­säch­si­schen Wör­me, der Fuchs Peer Gynt von Post­meis­ter und der Schim­mel Gins­ter v. Pre­gel nach kur­zem Deck­ein­satz zu ihrem Besit­zer in das neu errich­te­te Gestüt Wie­den­hof gewech­selt hat­ten, war es ein Glücks­fall, dass durch die Hil­fe der Fami­lie Danow­ski der Schim­mel­hengst Mar­duc erwor­ben wer­den konn­te. So kam die­ser bedeu­ten­de Ver­er­ber, ich möch­te sagen, das Pferd mei­nes Lebens, in unser Gestüt. Mit ihm mach­te unse­re klei­ne Tra­keh­ner-Zucht einen enor­men und ent­schei­den­den Schritt nach vorn, wofür ich noch heu­te der Fami­lie Danow­ski zu gro­ßem Dank ver­pflich­tet bin. Ilon­ka, die Toch­ter der Fami­lie, mach­te spä­ter bei mir eine Pfer­de­wirts­leh­re und ist heu­te selbst Pfer­de­wirt­schafts­meis­te­rin.

Das ers­te Mal sah ich Mar­duc auf sei­ner Körung in Neu­müns­ter. Der aus der Zucht Gui­do Petrys stam­men­de Hengst wur­de der umju­bel­te Reser­ve­sie­ger. Schon damals ver­sah ich ihn in mei­nem Kata­log mit einem dicken Aus­ru­fe­zei­chen. Auf der anschlie­ßen­den Auk­ti­on erhielt Man­fred Arlt aus Kreuz­tal den Zuschlag. Er stell­te ihn zunächst bei Eber­hard Schnei­der in Mecht­hilds­hau­sen auf und ver­pach­te­te ihn spä­ter an das hes­si­sche Land­ge­stüt Dil­len­burg. Zucht­lei­ter Gehr­mann kom­men­tier­te nach der Körung: „Ein­drucks­vol­ler Hala­li-Sohn in größt­mög­li­cher Auf­ma­chung. Sehr gut in Grö­ße, Rah­men und Fun­da­ment; fein­füh­lig im Wesen. Weit­räu­mi­ge Bewe­gungs­ab­läu­fe mit guter Mecha­nik, hin­ten etwas breit fußend. Sehr bedeu­tungs­vol­les Beschä­ler­mo­dell.“ Die Vor­füh­rung Chris­ti­an Plä­ges mit Mar­duc auf dem Gala­abend des Hengst­mark­tes 1983 war eine Sen­sa­ti­on mit bekann­ter spä­te­rer Nach­wir­kung.

Der Rei­ter in der hell­blau­en Gestüts­uni­form Dil­len­burgs auf dem noch nicht ganz durch­ge­schim­mel­ten Hengst hin­ter­ließ beim Publi­kum einen nach­hal­ti­gen Ein­druck mit Gän­se­haut­fee­ling und mit nicht enden wol­len­dem Applaus. Dazu Erhard Schul­te: „Nicht nur züch­te­ri­sche Stu­die son­dern vor allem eine rei­ter­li­che war die Vor­füh­rung, die Chris­ti­an Plä­ge auf dem Schim­mel­hengst Mar­duc dem fach­kun­di­gen Publi­kum prä­sen­tier­te. Ein Glanz­punkt der Schau bot sich dar. Der groß­rah­mi­ge enorm aus­drucks­star­ke Hala­li-Sohn, Reser­ve­sie­ger der Körung 1979 wur­de in Dres­sur­lek­tio­nen vor­ge­stellt, so wie es das Lehr­buch vor­schreibt. Wohl­tu­end zu beob­ach­ten die Zufrie­den­heit und Wil­lig­keit, mit der der Hengst die Anfor­de­run­gen sei­nes Rei­ters erfüll­te.“ (TH 4, 83)
     Der Schim­mel­hengst hat­te inzwi­schen schon eini­ge Meri­ten gesam­melt, sodass er immer mehr in den Fokus der Züch­ter rück­te. So wur­de Mar­duc 1979 Reser­ve­sie­ger sei­ner Körung und 1980 Reser­ve­sie­ger der Henst­leis­tungs­prü­fung in Adel­heids­dorf in der Leis­tungs­klas­se I mit 132,88 Punk­ten. Gleich nach sei­ner Ankunft in Wör­me im Jahr 1985 fand in Ver­den an der Aller die ers­te Bun­des­hengst­schau statt, wo er Prä­mi­en­hengst wur­de. Auf der Nor­la in Rends­burg wur­de er Sie­ger­hengst einer vom Zucht­be­zirk Schles­wig-Hol­stein aus­ge­stell­ten Schim­mel­kol­lek­ti­on Tra­keh­ner Pfer­de. In sei­nem Todes­jahr 1995 wur­de Mar­duc auf­grund sei­ner über­ra­gen­den Nach­zucht zum ers­ten Eli­tehengst des Tra­keh­ner-Ver­ban­des.

Mar­ducs Abstam­mung ent­springt der Vater­li­nie des berühm­ten Tra­keh­ner Haupt­be­schä­lers und Dampfroß-Soh­nes Pytha­go­ras, hier in dem doch recht sel­te­nen Zweig sei­nes Soh­nes Gui­do. Die­ser in Tra­keh­nen nach klas­si­scher Art aus einer Tem­pel­hü­ter-Toch­ter gezo­ge­ne Fuchs war zunächst Land­be­schä­ler in Ras­ten­burg und gelang­te bei Kriegs­en­de in das rus­si­sche Gestüt Kirow, wo er als Eli­tehengst ein­ge­stuft, sehr erfolg­reich in der dor­ti­gen Tra­keh­ner-Zucht wirk­te. Er hat­te die zu sei­ner Zeit impo­nie­ren­den Maße von 168–22 cm. Sein Ein­fluss in der west­li­chen Nach­kriegs­zucht blieb allein über sei­nen noch in Ost­preu­ßen gebo­re­nen Sohn Gigant erhal­ten, der selbst wie­der­um nur mit dem Rap­pen Gabri­el einen gek­ör­ten Sohn hat­te und dane­ben in 8 Zucht­jah­ren nur 9 ein­ge­tra­ge­ne Töch­ter.

Lei­der teil­te die­ser eher im schlich­ten Typ ste­hen­de Hengst Gabri­el das Schick­sal sei­ner Vor­fah­ren, näm­lich einer spär­li­chen Nut­zung. Die­ses führ­te natur­ge­mäß zu einer gerin­gen Nach­zucht (in 11 Jah­ren 4 Söh­nen und 34 Töch­tern). Unter sei­nen Töch­tern aber ragen eini­ge Zucht­grö­ßen her­vor, wie z. B. Flo­cke (Mut­ter des Fla­neur), Undi­ne (Mut­ter des Ulti­mo, Gabrie­la Gril­los Olym­pia­pferd) Arwa (Mut­ter u. a. des inter­na­tio­na­len Mili­ta­ry­p­fer­des Akzent). Über sei­nen Sohn Boris ist die Rant­zau­er Stu­te Donau­lied sei­ne Enke­lin, wel­che Mut­ter des gro­ßen Donau­wind (Abdul­lah, Fabi­an uvm.) wur­de. Allein die­se weni­gen Bei­spie­le haben dem Anse­hen der Tra­keh­ner als Sport­pfer­de Ach­tungs­er­fol­ge ein­ge­bracht, die durch die Nach­kom­men des Gabri­el-Soh­nes Hala­li noch gestei­gert wur­den.

In sei­nem Fall wur­de bei­nah zu spät erkannt, dass die­ser Dun­kel­brau­ne, müt­ter­li­cher­seits aus dem Stamm der Haupt­ge­stüts­fa­mi­lie der Halen­see her­kom­mend, ein ech­ter Leis­tungs­trä­ger war. Unver­gess­lich bleibt das Schau­bild der Drei­er­dress­urklas­se auf einer Hengst­ga­la: Dr. Rei­ner Klim­ke mit Fabi­an von Donau­wind, Gabrie­la Gril­lo mit Ulti­mo v. Heros/Gabri­el und Geor­ge Theo­do­res­co mit Kleo­pa­tra v. Hala­li – drei Grand-Prix-Pfer­de auf höchs­tem Niveau, alle mit dem Blut des ver­kann­ten Gabri­el. Hala­li, zunächst Land­be­schä­ler in Zwei­brü­cken, spä­ter in sei­nen letz­ten Lebens­jah­ren bei Gui­do Petry Pri­vat­be­schä­ler, hat­te in 18 Zucht­jah­ren nur 3 gek­ör­te Söh­ne und 50 ein­ge­tra­ge­ne Töch­ter. Eben einer die­ser Söh­ne war Mar­duc.
     Um die Popu­la­ri­tät Mar­ducs zu stei­gern, ver­an­stal­te­ten wir in Wör­me jedes Jahr mit stei­gen­den Foh­len­zah­len Nach­zucht­schau­en. In unse­rem ers­ten Kata­log von 1986 schrieb ich fol­gen­des Vor­wort:

Man­fred Paul aus Leb­ra­de setz­te Mar­duc von Anfang an ganz stark in sei­ner Zucht ein. In jenem ers­ten Kata­log waren allein 5 Foh­len aus sei­ner Zucht auf­ge­führt. Unter ihnen befan­den sich bereits die spä­ter gek­ör­ten und so erfolg­rei­chen Hengs­te Lehn­dorff’s (Reser­ve­sie­ger und Preis­spit­ze) und Ade­nau­er (S‑Dres­sur-Pferd in Frank­reich). Im Tra­keh­ner Hengst­buch doku­men­tiert der Zucht­lei­ter den Zucht­wert Mar­ducs mit fol­gen­den Wor­ten: „Der aus­drucks­vol­le Gabri­el-Enkel tritt ver­mehrt in den Mit­tel­punkt des züch­te­ri­schen Gesche­hens und scheint zu einem der bedeu­tends­ten Ver­er­ber der Nach­kriegs­zeit zu wer­den. Sei­ne Kin­der ste­hen meist im edlen Typ und gutem Rah­men bei pas­sen­der Grö­ße sind dabei zuwei­len etwas emp­find­sam im Wesen. Die Bewe­gun­gen sind oft sehr elas­tisch und aus­drucks­voll in allen drei Grund­gang­ar­ten, manch­mal hin­ten etwas breit fußend. Der Hengst scheint beson­ders gut zu Stu­ten ohne ara­bi­sche Blut­füh­rung zu pas­sen.“

Den letz­ten Satz wider­leg­te Mar­duc ein­drucks­voll in zahl­rei­chen Fäl­len. In 16 Zucht­jah­ren wur­den 9 sei­ner Söh­ne gek­ört und 126 Töch­ter ein­ge­tra­gen. Zu den Söh­nen zäh­len Herz­zau­ber (Sie­ger­hengst), Lehn­dorff’s und Induc (Reser­ve­sie­ger). Auch der hes­si­schen Warm­blut­zucht stell­te er zwei gek­ör­te Hengs­te, dar­un­ter auch einen Sie­ger. Beson­ders stolz sind wir auf die bei­den Hengs­te aus unse­rer eige­nen Zucht, Lam­brusco und Lar­duc (ZfdP), die noch dazu drei Staats­prä­mi­en- und Ver­bands­prä­mi­en-Voll­schwes­tern haben: Lagu­ne, Lam­ba­da und Lara. Um eini­ge sei­ner bedeu­ten­den Töch­ter zu nen­nen, sei­en hier außer­dem Cop­pe­lia (Lan­des­sie­ge­rin Nie­der­sach­sens und „bes­te Halb­blut­stu­te Deutsch­lands“ aller Ras­sen) und Gol­di­ca (erfolg­rei­ches Sport­pferd unter Andre­as Dibow­ski) genannt. 

Auch Gina (Sie­ge­rin des Nord­deut­schen Stu­ten­cham­pio­nats), Nata­lie (Sie­ge­rin der Zen­tra­len Stu­ten­ein­tra­gung in West­fa­len) und die zuvor genann­te Lam­ba­da (Sie­ge­rin der Zen­tra­len Stu­ten­ein­tra­gung im Zucht­be­zirk ‚Neue Bun­des­län­der‘) sind hier­bei nicht zu ver­ges­sen. Unter den zahl­rei­chen Sport­pfer­den sei hier nur der unver­wüst­li­che Masur unter Karin Lührs erwähnt, der eine Viel­zahl an S‑Dressursiegen auf sei­nem Kon­to sam­meln konn­te.

Fast ein klei­nes Wun­der wur­de uns aus dem Saar­land mit­ge­teilt. Am 5. April 2023 wur­de dem dor­ti­gen Tra­keh­ner-Züch­ter Clau­de Sau­ber ein gesun­des Stut­foh­len unse­res frü­he­ren Haupt­ver­er­bers und Eli­tehengs­tes Mar­duc gebo­ren. TG und tier­ärzt­li­ches Kön­nen ermög­lich­ten die­ses Wun­der.

Auch die Mut­ter des Foh­lens hat eine nicht all­täg­li­che, eli­tä­re Abstam­mung. Die Fuchs­stu­te Cera ist eine Toch­ter des Hengst­leis­tungs­prü­fungs­sie­gers Ras­ten­berg (v. Eli­tehengst Van Deyk-Cock­tail-Post­meis­ter) und der Ceres III v. Lam­brusco (v. Eli­tehengst Mar­duc-Mahon) und der Hym­ne v. Eli­tehengst Hyl­los (v. Hala­li-Aga­mem­non xx) und der Chan­tal v. Herbst­glanz (v. Komet-Sem­per Idem) und mün­det in der Voll­blut­fa­mi­lie der Cha­ri­tin xx v. Ala­rich xx.
     Herr Sau­ber hat damit bewusst eine drei­fa­che Inzucht auf den ehe­ma­li­gen Zwei­brü­cker Land­be­schä­ler Hala­li v. Gabri­el durch­ge­führt. In meh­re­ren Tele­fo­na­ten stell­ten wir über­ein­stim­mend die Wich­tig­keit des Gabri­elblu­tes für die Tra­keh­ner-Sport­pfer­de­zucht fest: Dies führ­te zur erfolg­rei­chen Nut­zung Mar­ducs.
     Das Stut­foh­len, das in der heu­te schon bedroh­lich engen Gene­tik der inzwi­schen doch klei­nen Tra­keh­ner-Popu­la­ti­on eine drin­gend benö­tig­te Out­cross­va­ri­an­te sei­nes Pedi­grees dar­stellt, wur­de von sei­nem Züch­ter zu unse­rer gro­ßen Freu­de Cri­vitz getauft. Wir wün­schen der klei­nen Schim­mel­stu­te mit dem gro­ßen Erbe alles Gute für ihren wei­te­ren Lebens­weg, den wir vom Gestüt Ter­ra Nova im meck­len­bur­gi­schen Cri­vitz natür­lich mit gro­ßem Inter­es­se ver­fol­gen wer­den.

Für mich per­sön­lich ein Indiz für die Ver­er­bung Mar­ducs für Cha­rak­ter und sei­nem dem Men­schen zuge­wand­ten Wesen sind zwei Pfer­de, die im Behin­der­ten­reit­sport einen tol­len Job machen. Da ist der Schim­mel Skan­dor v. Mar­duc aus der Zucht Man­fred Pauls, der sei­ner erblin­de­ten Rei­te­rin Mari­on Koch ein siche­res Dres­sur­pferd ist. Und dann auch der dun­kel­brau­ne Cha­zim v. Anduc (v. Mar­duc), der der Roll­stuhl­fah­re­rin Ange­li­ka Tra­bert ein zuver­läs­si­ger Sport­ka­me­rad ist und die ein erfolg­rei­ches Team bis hin zu den Para­lym­pics bil­den.

Mar­duc war ein Stem­pel­hengst, der sei­nen Nach­kom­men Schön­heit und Rit­tig­keit mit­gab. Was mehr wäre zu ver­lan­gen? Lei­der ging er infol­ge einer Darm­ver­schlin­gung 1995 ein. Er wird uns unver­gess­lich blei­ben.

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